Es ist eine andere Welt, sagt Jürgen Homberg. Der Mann ist seit vielen Jahren im Geschäft, aber das, was der Jugendleiter der TSG Sprockhövel in den vergangenen Monaten erlebt hat, das beeindruckt ihn noch immer. Die U19-Fußballer seines Vereins haben in den vergangenen zwei Jahren einen Durchmarsch von der Landesliga in die Jugend-Bundesliga hingelegt. Da spielen sie nun. Die Gegner heißen unter anderem Borussia Dortmund, 1. FC Köln, Bayer Leverkusen, Schalke 04.
Es sind namhafte und traditionsreiche Klubs, die in der höchsten Spielklasse ihren Nachwuchs ausbilden. Und seit dieser Saison gehören die Kicker aus dem kleinen Sprockhövel zu diesem erlesenen Kreis. „Eine Sensation“ nennen sie selbst den Aufstieg in die höchsten Sphären des Jugend-Fußballs, der ihnen im Mai gelang und sogar einen Empfang beim Bürgermeister im Rathaus nach sich zog. Zum ersten Spiel gegen Schalke kamen im August 1000 Zuschauer nach Gevelsberg, wo die TSG-Heimspiele stattfinden, weil Naturrasen Pflicht in dieser Liga ist.
Ein kleines gallisches Dorf bietet der großen Fußball-Welt die Stirn. Aber wie kommt es dazu?
„Ein Teil der Erfolgsgeschichte ist mit Sicherheit, dass wir nahezu ausschließlich ausgebildete Trainer im Verein haben“, sagt Jürgen Homberg, der Jugendleiter. Das fängt bei den Minikickern an und zieht sich durch die Jugend bis zu den Senioren. Seit vielen Jahren besitzt die TSG in der Umgebung einen ausgezeichneten Ruf als Ausbildungsverein. Der Ausflug in die Bundesliga wird den Ruf sicher nicht schmälern, wenngleich die Mannschaft bislang in sieben Spielen nur einen Punkt ergattern konnte. „Das ist ein Abenteuer hoch drei“, sagt Homberg. Er und die anderen im Verein wussten, dass sie es mit den Schwergewichten der Bundesliga nicht wirklich würden aufnehmen können. Vor allem nicht, weil jene erfolgreiche A-Jugendliche den direkten Weg in die erste Herren-Mannschaft beschritten haben.
Elf Talente nahm der Erfolgs-Trainer Andrius Balaika in diesem Sommer mit in die Oberliga-Mannschaft. „Ein Risiko“, sagt der Coach, „dessen waren wir uns bewusst.“ Das Ergebnis ist die Fortsetzung eines kleinen Fußball-Märchens. Balaika hatte gedacht, dass es zwei, drei Monate dauern würde, ehe sich seine Jungs an das neue Niveau gewöhnt haben würden. Tatsächlich aber dauerte der Prozess offenbar nur 90 Minuten. Das erste Spiel ging verloren, seither hat die TSG alles gewonnen und thront nach sieben Spielen an der Tabellenspitze. Durchschnittsalter des Teams: knapp über 20 Jahre.
Wo das hinführen soll? Balaika muss schmunzeln. „Wir sind keine Träumer, wir wissen, dass es größere Vereine gibt, bei denen ein Spieler so teuer ist wie bei uns die gesamte Mannschaft. Und ich weiß, dass Spielerberater oder Leute, die sich dafür halten, schon wie Geier über unseren Spielen kreisen“, meint der 37-jährige gebürtige Litauer, der lange selbst für die TSG gespielt hat.
Die Gefahren des Erfolgs
Er weiß, dass das Märchen wahrscheinlich schon im nächsten Sommer vorbei ist. „Unser Ziel ist nicht, hochtalentierte Spieler langfristig an uns zu binden. Das schaffen wir auch gar nicht. Wenn ein Spieler ein, zwei Ligen höher spielen kann, ist das gut und eine Bestätigung unserer Arbeit.“ Es geht ihm eher darum, seine Jungs zu sensibilisieren, dass „der Erfolg auch Gefahren mit sich bringt“.
Ansonsten genießen sie das Hier und Jetzt bei der TSG. Die A-Jugend-Bundesliga, die Tabellenführung. Wie lang es dabei bleibt? „Im Fußball kann alles passieren“, sagt Andrius Balaika. Die TSG Sprockhövel ist derzeit der Beweis dafür.
[Quelle: WAZ Sprockövel / Daniel Berg]